P. Wälchli u.a. (Hrsg.): Täufer und Reformierte im Disput

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Titel
Täufer und Reformierte im Disput. Texte des 17. Jahrhunderts über Verfolgung und Toleranz aus Zürich und Amsterdam, Zug


Herausgeber
Wälchli, Philipp; Urs B., Leu; Christian, Scheidegger; John D., Roth
Erschienen
Zug 2011: Achius Verlag
Anzahl Seiten
288 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Fabian Brändle, Zürich

Im Juni 2004 feierte die reformierte Kirche Zürich zusammen mit rund 200 Mennoniten und Amischen einen Versöhnungsgottesdienst im Grossmünster. Der Kirchenratspräsident Ruedi Reich sprach dabei sein Bedauern für das Geschehene aus und entschuldigte sich für die Verbrechen, welche die Reformierten an den Täufern begangen hatten. Er wies jedoch auf die gemeinsamen Wurzeln als Kinder der Reformation hin. Bei der Schipfe wurde ein Gedenkstein eingeweiht, der auch auf den letzten hingerichteten Täufer Hans Landis (1614) hinweist.

Das Zusammenleben zwischen Landeskirche und Täufertum war also stets von schweren Spannungen geprägt, von Hinrichtungen, Konfiskationen, Folter und Verhören. Das war indessen in Zürich nicht viel anders als in Bern, im Reich und in den katholischen Regionen. Heinrich Bullinger persönlich hat mit seiner im Jahre 560 herausgekommene Schrift Der Widertoeufferenursprung die Verketzerung der Andersgläubigen bestätigt und vorangetrieben.

Während die Anfangsphase des Zürcher Täufertums gut erforscht ist, sind die Entwicklungen im 17. Jahrhundert weit weniger gut bekannt. Ein von Urs B. Leu und Christian Scheidegger herausgegebener Sammelband von 2007 hat indessen auf das Fortbestehen des Glaubens im konfessionellen Zeitalter hingewiesen. Die beiden Historiker gehören nun auch zum Herausgeberstab eines schönen, akribisch recherchierten und sorgfältig eingeleiteten Sammelbandes, welcher der Forschung eine Reihe bisher kaum bekannter Quellen zur Täufergeschichte präsentiert.

Das so genannte «Manifest», ein Zürcher Druck aus dem Jahre 1639, machte polemisch die offizielle Haltung der Landeskirche gegenüber den Täufern klar. Der Bericht war, «trotz aller Beteuerungen seiner Wahrhaftigkeit», aus heutiger Sicht eher «raffinierte Propaganda» (9). Neben den altbekannten Streitpunkten wie der Kindertaufe und der Reinheit der Lebensführung (Kirchenbann) standen in der Krisenzeit des Dreissigjährigen Krieges neue Fragen im Vordergrund: die Haltung zur Obrigkeit und der Kriegsdienst! Die Täufer lehnten sowohl Treueschwur (grundsätzliche Verweigerung des Eides) wie Waffentragen ab und galten daher namentlich in Kriegszeiten schnell als Landesverräter. Hier setzte das «Manifest» an, hier versprachen sich die Autoren Übereinstimmung mit der Bevölkerung, welche die Täufer immer wieder geschützt hatte, sich tolerant zeigte und sogar bei Verhaftungen intervenierte. Das «Manifest» nahm direkt Bezug zur Inhaftierung einer Täufergruppe in Oetenbach und auf die Flucht einiger Exponenten. Dies weist auf das bestehende Netzwerk von Täufern in der gesamten Deutschschweiz, ja in Westeuropa hin. Im so genannten «Antimanifest», erschienen im Jahre 1645 in Amsterdam, nahmen die Täufer Stellung zu den Vorwürfen und berichtigten Unterstellungen.

Das ebenfalls edierte «Antmanifest» provozierte eine weitere zürcherische Stellungnahme, die nach 1645 geschriebene «Refutation». In ihren kommentierenden Passagen zeigen die Herausgeber sehr schön die mannigfaltigen Abhängigkeiten der Texte voneinander auf. Ihre philologischen Kenntnisse schützen sie dabei vor übereilten Schlüssen.

Sehr interessant ist auch der Hinweis auf eine undatierte, handschriftliche Abhandlung aus dem Elsass, die sich in der Zentralbibliothek Zürich findet. Der Autor plädierte für Toleranz in konfessionellen Dingen und listete in sieben Punkten auf, warum die Täufer von den Obrigkeiten verfolgt würden. Sie würden keinen Oberherrn anerkennen aber bei Wachstum der Gemeinden für Unruhen sorgen und andere Christen unterdrücken.

Vielleicht findet sich einmal Platz, auch dieses seltene Dokument zu edieren. Wie die Solidarität des «einfachen Volkes» beweist es, dass Toleranz auch im konfessionellen Zeitalter gelebt wurde und somit Bestandteil der christlichen Tradition ist.

Zitierweise:
Fabian Brändle: Rezension zu: Philipp Wälchli/Urs B. Leu/Christian Scheidegger/John D. Roth (Hg.). Täufer und Reformierte im Disput. Texte des 17. Jahrhunderts über Verfolgung und Toleranz aus Zürich und Amsterdam, Zug, Achius Verlag, 2010. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 105, 2011, S. 543-544.

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